Am 9. und 10.Oktober berät die Kultusministerkonferenz (KMK) über die neue „Tentativliste“ sprich Vorschlagsliste für Nominierungen zur Aufnahme in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Auf Initiative des Berliner Senats soll die von Bruno Taut und anderen erbaute denkmalgeschützte Waldsiedlung Zehlendorf – im Volksmund wegen ihrer bunten Farben „Papageiensiedlung genannt“ – als siebte Siedlung der Berliner Moderne nachnominiert werden. Das Landesdenkmalamt Berlin (LDA) hat diesen Vorschlag in einem 25-seitigen Schreiben an die KMK mit unbekannten Erstellungsdatum begründet (https://www.berlin.de/landesdenkmalamt/welterbe/welterbepotenziale/ waldsiedlung-zehlendorf-1179346.php#unterlagen). Das Schreiben enthält manipulative Falschdarstellungen, die der Vorstand des Vereins Papageiensiedlung in einem Brief an die KMK richtiggestellt hat.

Um die Unesco-Kriterien „Bürgerbeteiligung“ und „Nachhaltigkeit“ zu erfüllen, schmückt sich die Behörde mit einem Klimaprojekt, das nicht sie, sondern der Verein Papageiensiedlung initiiert hat. Gleichzeitig aber verbietet das LDA Wärmeaußendämmung und erlaubt die Nutzung von erneuerbaren Energien wie Solar und Wärmepumpen nur sehr restriktiv und mit lebensfernen Abstands- und Maximalhöhen. Das macht Klimaschutz sehr schwer und gefährdet in der Konsequenz die Siedlung selbst. In Zeiten von Wetterextremen ist das ein unverantwortlicher Umgang mit potenziellem Welterbe.

Der Hintergrund: Der Verein Papageiensiedlung hat sich 2010 gegründet, u.a. mit dem Ziel, Denkmalschutz und Klimaschutz zu vereinbaren (www.papageiensiedlung.de). Weil der Verein die bald 100 Jahre alte Siedlung auch für die nächsten 100 Jahre erhalten will, hat er 2021/2022 mit Unterstützung des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf das Projekt „Klimafreundliches Quartier“ (kliQ) initiiert (https://kliq-berlin.de). Ziel: Das Quartier so schnell wie möglich klimaneutral stellen. Er beauftragte deshalb die Berliner Energieagentur (BEA) mit einer Potenzialanalyse für die energetische Sanierung, bezahlt durch öffentliche Mittel von Bund (KfW) und Land Berlin (BEK), insgesamt rund 90.000 Euro. Der Tenor der Analyse (https://kliq-berlin.de/ klimapotential-des-quartiers/): Die Klimaziele sind ohne starken Ausbau von Erneuerbaren Energien und hocheffiziente Wärmeaußendämmung in den denkmalgeschützten Teilen des Quartiers nicht erreichbar.

Parallel dazu hat das LDA die Agentur „Pro Denkmal“ mit der Erstellung eines neuen Denkmalpflegeplans (DPP) und der Durchführung von „Bürgerwerkstätten“ beauftragt. Der DPP enthält jedoch zahlreiche Restriktionen für Solaranlagen und Wärmepumpen wie etwa Abstands- und Maximalhöhen sowie Verbote für Wärmeaußendämmung. Die Honorar- und Durchführungskosten betrugen insgesamt rund eine Viertelmillion Euro. Hier stehen sich also jetzt zwei von Steuergeldern bezahlte Agenturen gegenüber, wobei die eine (Pro Denkmal) die andere (BEA) blockiert. Ist das der richtige Umgang mit Steuergeldern? Zudem wird die Papageiensiedlung zum bundesweiten Beispiel dafür, wie durch lebensfremde Denkmalvorschriften Schutz vor Extremwettern verunmöglicht wird. Dadurch wird Welterbe gefährdet statt geschützt!

Falschbehauptungen: Im Vorschlagsschreiben des LDA an die KMK heißt es auf S.20 unten: „In einem Quartierskonzept zur Entwicklung einer klimafreundlichen Siedlung, vorgelegt vom Nachbarschaftsverein Papageiensiedlung e.V. und unterstützt durch den Bezirk Steglitz-Zehlendorf, werden unter Einbeziehung der Denkmalbehörden Antworten auf die Folgen des Klimawandels erarbeitet.“ (Hervorhebung von uns). Das ist eine Falschdarstellung. Dies klingt so, als ob das Klimaprojekt kliQ durch die Denkmalbehörden unterstützt würde. Das Gegenteil ist der Fall, es wird durch das LDA behindert.

Ähnlich manipulativ heißt es auf S.22 oben: „Die Zusammenarbeit mit dem Verein soll weiter gestärkt und in ein übergreifendes Community Involvement mit den Akteuren der anderen Siedlungen eingebracht werden.“ Auch das ist eine Falschdarstellung. Das klingt so, als ob das LDA mit dem Verein und seinem kliQ-Projekt zusammengearbeitet hätte. Wahr ist: Es gab zwar flüchtige Kontakte organisatorischer Art zwischen beiden Seiten, aber nie eine inhaltliche Zusammenarbeit. Das LDA ist niemals auf den Verein und kliQ inhaltlich zugegangen, es hat niemals Gespräche gegeben, in denen Kompromisse zwischen Denkmal- und Klimaschutz ausgelotet und erarbeitet worden wären.

Und auf S. 23 oben heißt es zur Klimakrise: Der DPP und das Quartierskonzept seien informelle Instrumente, die „in besonderer Weise auf die Kommunikation zwischen Bewohner*innen und Behörden“ eingingen und „besondere Relevanz für eine welterbeverträgliche Entwicklung“ hätten. Dies ist ebenfalls eine Falschdarstellung. Hier wird erneut suggeriert, dass das kliQ-Projekt durch das LDA unterstützt oder gar mitausgearbeitet würde. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist keineswegs so, dass das LDA das Klimaschutzkonzept mitverantworten würde oder dass es sich um ein „denkmal- und entwicklungsfachliches Steuerungsinstrument“ wäre, welches durch das LDA „implementiert“ würde.

Ähnlich irreführend liest sich der Eintrag zur Nachnominierung der Waldsiedlung Zehlendorf auf der LDA-Website (www.berlin.de/landesdenkmalamt/welterbe/welterbepotenziale/waldsiedlung- zehlendorf-1179346.php). Hier heißt es: „Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind auch im Umgang mit der Waldsiedlung Zehlendorf wichtige Ziele. Das Landesdenkmalamt begleitet die zwischen dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf und dem Vorstand des Vereins Papageiensiedlung e.V. geschlossene Kooperationsvereinbarung zur Erstellung eines energetischen Quartierskonzepts. In Zusammenarbeit mit Fachagenturen sollen Anwohnerinnen, Anwohner und Beteiligte in mindestens vier Workshops klimafreundliche Maßnahmen erarbeiten.“ Auch das ist eine Falschinformation. Erneut wird hier an den Tatsachen vorbei suggeriert, dass das LDA das kliQ-Projekt „begleitet“. Auch gab es nie „mindestens vier Workshops“, in denen „klimafreundliche Maßnahmen“ erarbeitet worden wären. Es gab insgesamt fünf Frontal-Veranstaltungen des LDA, auf gerade mal einem einzigen ging es um die energetische Ertüchtigung der Häuser, Fachagenturen wurden nicht eingeladen, und erarbeitet wurde hier gar nichts, nur vorgestellt.

Zudem hat das Landesdenkmalamt die Mehrheit der Bewohnerschaft von der Beteiligung faktisch ausgeschlossen, nämlich die Mieter:innen in den Vonovia-Wohnblöcken und die Mieter:innen und Eigentümer:innen in den Wohnungseigentümergesellschaften. Auch die Einbeziehung der Reihenhaus-Eigentümer:innen war mangelhaft. Die Einladungen zu den „Bürgerwerkstätten“ erfolgten sehr zufällig, von „Werkstätten“ konnte mangels Gelegenheit zur ergebnisoffener Diskussion keine Rede sein. Hier entstand viel Misstrauen. Entsprechend aggressiv war die Stimmung, nachzulesen auch an den zahlreichen schriftlichen Einwendungen der Bewohnerschaft gegen den Denkmalpflegeplan des LDA. Nach unserer Einschätzung ist die Mehrheit in der Siedlung gegen eine Nachnominierung.

Fazit: Die Unesco-Kriterien für „Community Involvement“ und „Sustainability“ sind hier nur ungenügend erfüllt worden. Die KMK sollte deshalb die Nachnominierung der Waldsiedlung Zehlendorf ablehnen oder sie um mindestens drei Jahre verschieben, um in der Zwischenzeit gemeinsam mit den in der Siedlung lebenden Menschen ein tragfähiges Konzept für die Vereinbarkeit zwischen Denkmalschutz und Klimaschutz und damit für eine zukunftsfähige Siedlung zu entwickeln.