Bericht über die „Bürgerwerkstatt“ des Denkmalschutzes in der Papageiensiedlung am 26.1.2023
Es ging leidenschaftlich zu am Donnerstag Nachmittag im Hertha-Müller-Haus. Die Denkmalschutzbehörden hatten eingeladen, 80 „Papageien“ hatten sich angemeldet, und trotz des ungünstigen Termins für Werktätige kamen geschätzt über 120. Auch die Veranstalter selbst waren mit 10 Personen präsent; diese waren die erste Viertelstunde nur damit beschäftigt, neue Stühle in den Saal zu tragen. Offenbar herrscht riesiges Interesse am neuen Denkmal-Pflegeplan, den die Agentur Pro Denkmal im Auftrag des Landesdenkmalamtes gerade erstellt.
Die Veranstalter waren durchaus bemüht, einen Dialog zu beginnen, der bisher nur in Spurenelementen stattgefunden hatte. Sabine Ambrosius vom Landesdenkmalamt versuchte, Missverständnisse auszuräumen, zu denen ihr Amt mit der vorherigen „Bürgerwerkstatt“ selbst beigetragen hatte: Nein, man werde sich nicht in die Innenräume einmischen, die Farbgestaltung sei Privatsache, auch Treppenlifte seien gestattet. Der Klarstellung folgte aber später neue Verwirrung: Sie seien „nicht als Ordnunghüter unterwegs“ und würden nicht kontrollieren, ob ihre Empfehlungen umgesetzt würden, so Rüther von der Unteren Denkmalbehörde. Aber wenn jemand anders baue als eingereicht und genehmigt, müssten sie dagegen „ordnungsrechtlich vorgehen“. Eine indirekte Aufforderung, bloß keine Anträge an den Denkmalschutz zu stellen.
Sichtlich bemühten sich die Veranstalter auch darum, die hochumstrittene Nachnominierung der Papageiensiedlung zum Unesco-Weltkulturerbe als Thema außen vor zu lassen. Der neue Denkmal-Pflegeplan sei unabhängig davon zu sehen, so die Weltkulturbeauftragte Ambrosius, denn der alte sei rund 20 Jahre alt, die Zeiten hätten sich durch „Digitalisierung und neue Mobilitätsformen“ geändert. Zwei Themen, die jedoch dann im vorgestellten Planentwurf überhaupt nicht vorkamen. Genauso wenig wie die beiden größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts: Klimawandel und Artensterben.
Stattdessen ging es in zweieinhalb Stunden, unterbrochen von vielen Nachfragen und Kommentaren des Publikums, nur um Straßenbäume, Gärten und Vorgärten samt ihrer Weg- und Zaungestaltung. Pro Denkmal trug dazu Empfehlungen vor, von denen nach wie vor nicht klar ist, wie bindend sie sind. Ambrosius stellte hierzu nur ein noch nicht existierendes Ampelsystem in Aussicht: von rot als „Muss“- bis grün als „Kann“-Bestimmung.
Auch der Vortrag selbst erbrachte keine Klarheit, worauf die Behörden eigentlich hinauswollen. Hauptziel sei, so Pro Denkmal, die (wunderschönen!) Fassaden wieder sichtbar zu machen, Straßenbild und Vorgärten einheitlich zu gestalten (das wichtige Thema Sichtachsen fehlte ebenfalls). Die Sicht würde doch nicht durch Grünes, sondern durch Autos, SUVs und Mülltonnen versperrt, warfen viele im Publikum ein. Parkplätze, Mülltonnen und auch die Verkehrsgestaltung der Argentinischen Allee aber kamen im Planentwurf erstaunlicherweise überhaupt nicht vor. Somit sind auch keine Hecken an dieser lauten Durchgangsstraße vorgesehen, wie sie eine Mieterin als Mittel gegen Feinstaub und Lärm vorschlug.
Dafür aber hatte die Agentur mit Verweis auf den ursprünglichen Zustand der Siedlung extrem kleinteilige Empfehlungen erarbeitet: Im südlichen Teil der Siedlung sollten die Vorgärten durch 50 Zentimeter hohe Ligusterhecken begrenzt werden. In allen Vorgärten sollten höchstens zwei Fahrradbügel angebracht werden, in eckiger Metallform, mit vorgegebenem grauen Farbton. Dass damit vor allem Familien bestraft würden, die bewusst aufs Auto und damit auch auf das Zustellen der Fassaden verzichten, war den Denkmalschützenden nicht aufgefallen. „Wir nehmen das als Hausaufgabe mit“, versprachen sie.
Auch bei anderen Empfehlungen war vieles dann doch nicht so gemeint wie zuerst vorgestellt. Zuerst hieß es, das historische Straßenbild sei durch neugepflanzte Waldkiefern und Sandbirken wiederherzustellen. Als etliche im Publikum darauf hinwiesen, gerade diese Bäume seien nicht klimaresistent, meinte Pro Denkmal: Ja, es können auch andere Bäume sein, sie würden das mit dem Grünflächenamt abstimmen. Zuerst hieß es auch, die Vorgärten sollten aus Rasen bestehen, mit niedrigen Sträuchern. Auf den Hinweis, Rasen seien für die kommenden Hitzesommer ungeeignet und kein Mittel gegen das massive Artensterben, antwortete Pro Denkmal: Kräuterrasen sei gemeint.
Unklar blieb auch das weitere Verfahren. Ambrosius stellte eine Auslegung des Denkmal-Pflegeplans in Form einer Fibel in Aussicht, den die Bürger und Einwohnerinnen dann kommentieren könnten, wusste aber nicht anzugeben, wann, wie und wo. Keinen Plan gibt es auch für die Klimaschutz-Maßnahmen, die die Berliner Energieagentur im Auftrag des Vereins Papageiensiedlung und seines kliQ-Projektes erarbeitet hatte. Die Energieagentur wird ihre Endergebnisse zusammen mit dem kliQ-Team am 26.Februar 14 Uhr in der EMA vorstellen. Die nächste „Bürgerwerkstatt“ des Denkmalschutzes zum Thema „energetische Ertüchtigung“ aber findet zwei Wochen später statt, am 14.März 17 Uhr ebenfalls in der EMA. Dort wird dann bekanntgegeben, ob Solaranlagen, Wärmeputz, Wärmepumpen und E-Autos erlaubt oder verboten werden.
Demnächst werden also zwei von Steuergeldern finanzierte Agenturen – die Energieagentur und Pro Denkmal – womöglich teils gegensätzliche Empfehlungen abgeben. Die Denkmalschützer hätten diese absurde Situation verhindern können, indem sie sich rechtzeitig – auch mit der Energieagentur – auf einen Katalog von Maßnahmen verständigt hätten, die dem Bundestagsbeschluss „Klimaschutz vor Denkmalschutz“ vom Sommer 2022 entspricht. Nun aber besteht die Gefahr, dass der Denkmalschutz versucht, die dreijährige ehrenamtliche Klimaschutz-Arbeit des Vereins Papageiensiedlung mit seinem kliP- und kliQ-Projekt und die einjährige Arbeit der Energieagentur auszuhebeln.