„Energetische Ertüchtigung“ in der Papageiensiedlung: Denkmalschutz contra Klimaschutz oder Denkmalschutz mit Klimaschutz?
Die Veranstaltung am Dienstag den 14. März im Emmaus-Gemeindesaal hat mich mit vielen Fragezeichen zurückgelassen. Das Landesdenkmalamt (LDA) und die von ihm beauftragte Agentur Pro Denkmal hatten präsentiert, welche Maßnahmen in ihrem neuen Denkmal-Pflegeplan (DPP) für Klimaschutz und „energetische Ertüchtigung“ sorgen sollen. Die Stimmung war besser als bei der letzten Anhörung. Das lag unter anderem daran, dass das Amt auf unsere Bitte hin seine Präsentation vorab herumgemailt hatte, sodass sich das Publikum vorbereiten konnte. Das Interesse war riesig, und das an einem Werktag. Rund 170 Menschen – die meisten gehörten zu den rund 800 Hauseigentümer:innen – hatten sich versammelt.
Die ebenfalls betroffenen Mieter:innen von Vonovia und den Wohnungseigentümergesellschaften (WEGs) wurden jedoch weder informiert noch eingeladen. Warum nicht? Sollen sie sich nicht beteiligen dürfen an Mietersolarstrom und Grünflächengestaltung? Wieso gab die Welterbe-Beauftragte des Landesdenkmalamtes Sabine Ambrosius erst jetzt öffentlich bekannt, dass der DPP auch für die Wohnblocks gelten soll? Warum führt ihr Amt Exklusivgespräche mit der Vonovia im wörtlichen Sinne, nämlich ohne Betroffene?
In Sachen Klimaschutz scheint sich das Amt bewegt zu haben. Weil sie das kliQ-Projekt dazu brachte? Weil die neue Gesetzeslage sie dazu zwingt? Jedenfalls: Solaranlagen sollen auf Dächern, Garagen, Wintergärten und Schuppen genehmigungsfähig sein, wie es im Amtsdeutsch heißt, aber mit Mindestabständen und nur, wenn sie quasi unsichtbar sind. Luft-Wärmepumpen sollen auf Dächern, in Kellern und Gärten erlaubt werden, in Vorgärten jedoch nicht. Gründächer würden ebenfalls genehmigt, wenn das Dach stabil genug ist. Die Dämmung von Dächern und Kellern sei erlaubt. Regenrohre dürften in Sickerschächten in Gärten enden. Sonnenschutz wie Markisen sei zugelassen. Die Umrüstung der Gaslaternen auf LED sei möglich. Ladestationen für Elektroautos würden genehmigt, wenn Vorgärten schon früher als Parkplatz planiert wurden („Bestandsschutz“).
Hitzig her ging es vor allem beim Thema Wärmeputz. Von Amts wegen soll er zwar an Giebelwänden von Endhäusern erlaubt werden, aber nicht an straßen- und gartenseitigen Fassaden. Begründung: Fenster könnten nicht mehr aufsitzen, der historische Charakter der Siedlung werde beschädigt. Man könne stattdessen doch innen dämmen, so Beate Neumerkel von Pro Denkmal. Sie präsentierte eine Modellrechnung, wonach ein innen rundum gedämmtes Reihenhaus über 80 Prozent weniger Energie benötige. Das löste heftigen Widerspruch bei vielen Fachleuten im Publikum aus. Architektin Shirin Homann und Claudia Alt von der Berliner Energieagentur berichteten, der Unterschied zu herkömmlichen Putz sei praktisch nicht zu sehen. Doch energetisch sei seine Wirkung groß, da Außenwände die größten Wärmeverluste aufwiesen, die mit Dämmputz halbiert würden. Zahlen und Fachbegriffe flogen hin und her, Fragezeichen umschwirrten meinen Laienkopf wie ein Mückenschwarm. Die Modellrechnung sei reine Theorie, Innendämmung sei viel schwieriger als Außendämmung und praktisch nicht zu realisieren, wenn man bereits im Haus wohne, wandte ein Statiker ein. Decken und Wände seien dafür nicht ausgelegt, zudem müsse man mit Schimmelbildung rechnen. Architektin Ada Kny entgegnete, das habe sie aber schon mehrfach ohne Schaden gemacht.
Als Miteigentümerin fragte ich mich, ob wir unter diesen Bedingungen jemals unsere Häuser sanieren und nichtfossil beheizen können. Eine Wärmepumpe kostet 30.000 bis 50.000 Euro einschließlich Installation. Wenn ich die jetzigen Staatsförderungen nutzen will, muss ich mir vorher von einem Energieberater bescheinigen lassen, dass mein Haus bestimmte Energie-Richtwerte einhält. Aber Dämmung ist teuer, außen meist verboten und innen nicht machbar, wenn wir nicht ausziehen. Und eine Wärmepumpe ohne Dämmung benötigt im Winter eine fossile Zusatzheizung. Wird das nicht dazu führen, dass kaum jemand sanieren will? Hat die von uns beauftragte Berliner Energieagentur bei ihren Empfehlungen in Teilen also umsonst gearbeitet?
Am Ende des dreistündigen Sitzungsmarathons gab Sabine Ambrosius bekannt, wie es weitergehen soll mit der Bürgerbeteiligung, die das Nominierungsverfahren für das Weltkulturerbe vorschreibt. Vom 1. bis 30. Mai soll der aktualisierte DPP-Entwurf online gestellt werden, alle eingehenden Vorschläge und Einwände würden angeschaut. Daraus werde dann die endgültige Fassung formuliert und veröffentlicht, voraussichtlich im Herbst. Ihr letzter Satz ließ mich am meisten aufhorchen: Was übernommen werde und was nicht, das sei noch nicht ausgemacht. „Am Ende werden wir nicht alle glücklich machen“, orakelte die Welterbebeauftragte. Wie, sollen womöglich noch nicht mal alle von Pro Denkmal vorgestellten Klimamaßnahmen übernommen werden? Das erzeugte das größte Fragezeichen in meinem Kopf.
Mein Kommentar als Klimajournalistin: Im heutigen Pressebriefing zu dem am Montag erscheinenden neuesten Synthesebericht des UN-Klimarats musste ich hören: „Die Situation ist extrem dramatisch, die Emissionen müssen sofort runter. Es ist unmöglich, den heute nicht getätigten Klimaschutz nachzuholen.“ Bitte beteiligen Sie sich durch Eingaben an den Veranstalter, die deutlich machen, dass uns Denkmalschutz wichtig ist, wir aber unbedingt Zugeständnisse an den Klimaschutz brauchen. Vor 20 Jahren hätten Denkmäler noch ausgenommen werden können, dafür ist es heute zu spät. Wenn wir die Erderwärmung nicht stark begrenzen, können wir uns jeden Denkmalschutz sparen. Wir sollten aber optimistisch und aktiv bleiben.
Ute Scheub