Antonio Marcipano lebt in einem solarbestückten Taut-Haus und hat Spaß daran, die Energiewende selbst in die Hand zu nehmen.
„Das ist ein schönes Spielzeug“, sagt Antonio Marcipano über die App seines Smartphones, das ihm in jedem Moment die eigene Sonnenernte anzeigt. Im lichtdurchfluteten Wohnzimmer eines von Bruno Taut gebauten Reihenendhauses, das er mit seiner Frau bewohnt, sitzt der Designer am Esstisch, vor sich das Handy. Sein Ziel ist es, im Haushalt zu 100 Prozent energieautark zu werden. Jetzt im regenreichen Januar 2023 schafft er das nur zu 5 bis 10 Prozent, aber im August 2022 etwa lebte das Paar zu 87 Prozent autark.
Marcipano hat sichtlich Spaß daran, die Energiewende selbst in die Hand zu nehmen – in diesem Falle wortwörtlich. In Echtzeit zeigt sein Handy an, wie viel Sonnenenergie er gerade vom Dach erntet. „Das kann schon fast süchtig machen“, lacht er. Im März 2022 hat die Firma easysolar insgesamt 14 Solarmodule auf zwei Dächern montiert, denn das Gebäude neben seinem Wohnhaus gehört ihm ebenfalls. „Ich hatte großes Glück“, sagt er. Denn seit den steigenden Energiepreisen infolge des Ukrainekrieges sind praktisch alle Solarfirmen völlig überlastet, Paneele und Handwerker sind so gut wie nicht mehr zu bekommen.
Der Sonnenstrom von seinen beiden Dächern fließt zunächst in einen Batteriespeicher in seinem Keller. Das Ding sieht unscheinbar aus und nimmt an der Wand ungefähr so viel Platz weg wie zwei große Obstkisten. „Der speichert so viel, wie wir an zwei Tagen maximal verbrauchen“, erklärt er. Im Sommer hat er immer wieder Überschuss, den er gegen 8,2 Cent pro Kilowattstunde ins Stromnetz Berlin einspeichert. „Wenn ich von meinem Anbieter Strom beziehe, kostet uns das umgekehrt aktuell 52 Cent“, berichtet er. Aber dieser Anteil wird immer weniger. „Im Oktober 2022 habe ich gerade mal so viel Strom aus dem öffentlichen Netz verbraucht wie früher in einem halben Jahr. Mein Anbieter hat mir deshalb gesagt: Sie müssen sich vertan haben!“ Er lacht.
Das alles macht ihm sichtlich Freude. Auch der Umstand, dass das Paar die Energie für seine Mobilität nunmehr vom eigenen Dach ernten kann. In der Garage des Reihenendhauses hängt eine sogenannte Wallbox, eine Ladestation, mit der er sein kleines E-Auto und die beiden E-Bikes betanken kann. „Früher hab ich die vor allem nachts aufgeladen“, erzählt er. „Aber in den Sommermonaten kann ich den Überschuss vom Dach gleich direkt einspeisen. Jedes Akkugerät, auch ein E-Bike oder ein Bohrer, ist im Grund ein Energiespeicher. Ich wünschte mir, dass wir in der Nachbarschaft mehr solche Geräte teilen würden.“
Antonio Marcipano heißt nicht wirklich so, aber er möchte nicht, dass sein echter Name veröffentlicht wird. Viele in der Nachbarschaft wissen um seine speziellen Kenntnisse und fragen immer wieder um Rat. „Manche haben sogar schon um 7 Uhr früh geklingelt oder nach 21 Uhr abends.“ Dem möchte sich der Vielbeschäftigte nicht mehr aussetzen. Dabei ist er sehr hilfsbereit und unterstützt großzügig ukrainische Geflüchtete. Aber er wünscht sich mehr Respekt vor seinem Privatleben.
Sein nächster Schritt zur vollständigen Energieautarkie soll der Einbau einer Wärmepumpe werden, am liebsten eine, die die Energie aus der Erdwärme zieht. Das ist aber komplizierter als die Photovoltaik auf dem Dach. Zwar ist der Denkmalschutz bei Erdwärmepumpen – anders als bei Luftwärmepumpen kein Problem. Doch sie benötigen drei Bohrungen in eine Tiefe von mindestens 50 Metern mit jeweils 5 Meter Abstand, die von der Wasserbehörde genehmigt werden müssen. Dieser Platz ist auf vielen kleinen Grundstücken nicht vorhanden. Er hofft, dass es auf seinem etwas größeren doch noch gelingen könnte.
„Erdwärme ist elegant und denkmalgerecht“, findet er. Gerade probiert er experimentell aus, ob das Heizsystem im Haus dafür reichen würde. Entgegen gängigen Annahmen brauche es dafür keine Fußbodenheizung, aber vermutlich größere Heizkörperflächen. „Ich habe dafür die Vorlauftemperatur an der Gastherme statt auf 65 Grad nun auf 45 Grad eingestellt und dafür die Leistung der Umwälzpumpe etwas erhöht. Bisher reicht die Wärme in unseren Heizkörpern aus, es funktioniert. Den Test kann jeder machen!“
Wenn es mit der Erdwärme nicht klappen sollte, will er zu „Plan B“ greifen: einer Luftwärmepumpe. „Die hat aber den Nachteil, dass sie ab null Grad Außentemperatur einen starken Leistungsabfall aufweist. Das heißt, unsere Gastherme müsste wahrscheinlich bleiben.“ Die Alternative sei, dass sie in den ungefähr zehn Wintertagen pro Jahr mit Minusgraden elektrisch heizen würde. „Das würde etwa 250 Euro kosten. Dafür aber sparen wir uns den Gasanschluss. Und leben gänzlich fossilfrei.“ Er strahlt.
Antonio Marcipano ist fest entschlossen, energieautark zu leben. Dass das in absehbarer Zeit gelingen könnte, bereitet ihm sichtlich Spaß.