Liebe Nachbarschaft, liebe Klima-Interessierte,

als unser kleines Team das Projekt „klimafreundliches Quartier“ zu planen begann, ahnten wir noch nichts davon, wie dringlich das Thema Energie und wie schwierig die Rahmenbedingungen werden würden. Ukrainekrieg, Energiekrise und Wärmewende haben alles verändert. Das Interesse der Nachbarschaft an fossilfreier Heizung war riesig. Die Bundesregierung änderte in Windeseile viele Gesetze und bot neue Förderungen an. Aber gleichzeitig steht ein Großteil der Gebäude im kliQ-Gebiet unter Denkmalschutz, was vor allem in der Papageien- und Waldsiedlung Krumme Lanke Probleme bereitet (dazu unten mehr).

Das bringt viele der hier Wohnenden in die Bredouille: Wie sollen sie unter diesen schwierigen und ungeklärten Bedingungen ihre Häuser sanieren? Wo können sie sich unabhängig informieren, wie sollen sie das finanzieren? Und das hat auch unser kleines ehrenamtliches Team unter Druck gesetzt.

Vor allem die kliQ-Energiegruppe hat im Bereich Solar alles getan, was sie konnte, um nach dem Motto „Nachbarn beraten Nachbarn“ für Energieberatung und mehr Solardächer zu sorgen. Inzwischen stehen rund 170 Interessierte auf ihrer Liste, und in der Energiegruppe sind rund 30 Menschen aktiv. Sie haben auch mit der Unteren Denkmalbehörde verhandelt, die bis dato jeden PV-Antrag zentimetergenau vermessen lassen wollte, und konnten diese für ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gewinnen. Inzwischen sind etliche Häuser mit neuen PV-Anlagen versehen, und noch mehr sind in der Planung. Auch bietet ein Freiwilligenteam an, zusammen mit der BürgerEnergie Berlin im Selbstbau Solaranlagen zu installieren.

Aber im Grunde hätten wir ein Heer von professionellen Energieberater:innen anstellen müssen, um dem immens gestiegenen Bedarf nach Beratung im Quartier gerecht zu werden. Das konnten wir nicht leisten, weder inhaltlich noch personell noch finanziell. Hinzu kam das Problem, dass viele Monate ab Beginn des Ukrainekrieges weder PV-Anlagen und Wärmepumpen noch installierende Handwerker zu haben waren. Wir konnten die interessierte Nachbarschaft nur vertrösten.

Und wir sagen auch jetzt immer wieder: Entspannt euch, macht nichts vorschnell, die Preise für die Anlagen werden 2024 sinken, es wird auch wieder mehr Handwerker geben. Und besser, ihr löst eure Probleme nicht individuell, sondern gemeinschaftlich. Tut euch zusammen, nach Straßen oder Haustypen oder wie auch immer. Im Deisterpfad gelingt das vorbildlich, und auch in der ebenfalls denkmalgeschützten Waldsiedlung Krumme Lanke: Sie hat im September 2022 eine Zukunftswerkstatt organisiert, die vieles aktivierte und viele inspirierte.

Das Bezirksamt, unser offizieller Partner beim kliQ-Projekt, war jedoch keine große Hilfe. Es gab zwar Zusammenarbeit, auch war die Bezirksbürgermeisterin bei kliQ-Workshops anwesend. Aber seit dem Weggang der Klimabeauftragten, deren Planstelle bei der Bezirksbürgermeisterin angesiedelt ist, hatten wir keinen für uns zuständigen Ansprechpartner mehr. Dankenswerter- und hilfsweise sprang immer wieder Bezirksstadtrat Urban Aykal ein. Der aber ist nicht für die anstehende energetische Sanierung der zahlreichen öffentlichen Gebäude und Schulen zuständig, sondern für Umwelt, Verkehr und Grünflächen im kliQ-Quartier. Die Folge: Das Bezirksamt macht seine Hausaufgaben nicht, bis heute steht der Fahrplan für deren Sanierung in den Sternen. Und das, obwohl die kliQ-Gruppe Bildung und das ufu-Projekt sich engagiert für Energieprojekte an Schulen einsetzen.

Als kliQ-Kernteam haben wir uns seit 2022 auf die – erfreulich produktive – Zusammenarbeit mit der Berliner Energieagentur (BEA) konzentriert, deren Bericht über die Klimapotenziale für die meisten Gebäudetypen im Quartier auf unserer Website unter https://kliq-berlin.de/klimapotential-des-quartiers/ nachlesbar ist. Wir haben uns ständig mit der BEA kurzgeschlossen, ihre öffentlichen Workshops mitvorbereitet, Strategien zur Umsetzung diskutiert und ihren Abschlussbericht begleitet. Das war ein sehr arbeitsintensiver, aber fachlich und menschlich guter Prozess.

Und wir haben die kliQ-Website aufgebaut und zwei kliQ-Zeitungsausgaben mit vielen guten nachahmenswerten Beispielen aus der Nachbarschaft veröffentlicht. Mit der Präsentation des Endberichtes Ende Februar 2023 in der Emmaus-Gemeinde hat die BEA ihren Auftrag erfüllt, und die erste kliQ-Projektphase war beendet. Mit Abrechnung der Fördermittel von KfW (Bund) und BEK (Land) ist diese Projektphase demnächst abgeschlossen.

Denkmalschutz contra Klimaschutz

Eine weitere Schwierigkeit sind die vielen Auflagen des Denkmalschutzes. In der Waldsiedlung Krumme Lanke sind diese tendenziell noch strikter als in der Papageiensiedlung. Letztere  wiederum soll zum Unesco-Weltkulturerbe nachnominiert werden, was die Erarbeitung eines neuen Denkmalpflegeplans (DPP) durch das Landesdenkmalamt (LDA) und die Agentur ProDenkmal nach sich zog. Deren „Leitfaden“ liegt nun bis zum 2. Juni öffentlich aus, es können dazu Äußerungen und Einwende erhoben werden. Zwar begrüßen wir Denkmalschutz ausdrücklich, auch in der Waldsiedlung Krumme Lanke. Der Charakter dieser Siedlungen sollte unbedingt erhalten werden. Den Schutz der Fassaden und der Farbgebung in der Papageiensiedlung unterstützen wir vollen Herzens. Aber die Klima-Ignoranz im Entwurf des „Leitfadens“ hat viel Unmut ausgelöst. Er macht die Installation von erneuerbarer Energie wie PV, Solarthermie und Wärmepumpen unnötig schwer bis unmöglich.

Die Kommunikation mit den Denkmalbehörden war und ist der frustrierendste Part des kliQ-Projektes. Sowohl unser kliQ-Team als auch die BEA haben viel Mühe dafür verwendet, die Behörde bezüglich Klimamaßnahmen zum Umdenken zu bewegen, wir haben Gespräche mit dem Landesdenkmalamt und der Senatsverwaltung für Kultur geführt. Weitestgehend vergeblich. Unsere Vorschläge wurden ignoriert, genauso wie die Kritik aus der Bewohnerschaft.

Genug gejammert. Wir hatten dennoch viel Freude – im Team, mit Projektpartnern und mit Ihnen, der ganzen Nachbarschaft.

Und haben sie auch weiterhin, denn es läuft immer noch viel:

* Wir haben das „Wasserfest“ an der Krummen Lanke initiiert

* Die kliQ-Mobilitätsgruppe arbeitet momentan daran, herauszufinden, welche Faktoren uns davon abhalten, uns klimafreundlicher im Quartier fortzubewegen. Dazu hat sie einen umfangreichen Fragebogen entwickelt, den rund 800 Anwohner:innen beantwortet haben – ein großer Erfolg! Eine Masterstudentin der  Brandenburgisch-Technischen Universität Cottbus ist dabei, die Antworten auszuwerten. Dazu wird es noch eine Dorfakademie geben sowie Kontaktaufnahmen zu  Bezirksamt oder Carsharing-Unternehmen.

* Die kliQ-AG Gesund leben initiierte mit rund 80 Interessierten und Unterstützung der Landesregierung ein Filterprojekt als Modellprojekt für ganz Berlin, das die Emissionen von Holzöfen reduzieren soll.

* Die kliQ-Gruppe Grün arbeitet an Vorschlägen zum Regenwassermanagement. Dazu haben wir uns auch am Ideenwettbewerb zur Schwammhauptstadt Berlin bei der Berliner Regenwasseragentur beteiligt.

* Auch die anderen nachbarschaftlichen Arbeitsgruppen treffen sich weiterhin.

* Es gibt viele Beratungsgespräche und Besuche nach dem Vorbild „Nachbarn lernen von Nachbarn“.

* Wir organisieren die Zoom-Dorfakademie.

* Wir leisten Vernetzungarbeit mit anderen Quartieren in Berlin, die von und mit uns lernen wollen. * Gespräche mit dem Bezirksamt und der Landespolitik werden gesucht und organisiert.

* Wir wurden und werden zu Vorträgen zu Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) und in andere Quartiere eingeladen. Etwa in die Carl-Legien-, Hufeisen- und Siedlung Freie Scholle, die Siedlungen Eichkamp und Heerstraße oder ins Tauthaus am Engelbecken.

* Das Ringen um einen klimafreundlichen Denkmalpflegeplan in der Papageiensiedlung nimmt weiterhin einen Gutteil unserer Arbeit in Anspruch. Leider.

Wie soll es weitergehen?

Im Herbst wollen wir die Finanzierung der Projektphase II bei der KfW beantragen. Damit könnte die energetische Sanierung der verschiedenen Quartiersteile in den nächsten drei Jahren finanziert werden. Hierfür gibt es zwei denkbare Modelle, die sich jedoch nicht ausschließen, sondern sich auch ergänzen und gegenseitig bedingen können.

* Eine Agentur organisiert Beratung für alle interessierten Eigentümer:innen in Sachen energetische Sanierung und berät auch zu Quartierslösungen bei der Nahwärmeversorgung.

* Wir gründen eine Bürgergenossenschaft, die das selbst in die Hände nimmt.

Das KfW-geförderte Folgeprojekt kann für die nächsten 3 Jahre externe Fachkompetenz organisieren und finanzieren. Und eine Bürgergenossenschaft kann über Jahrzehnte bestehen bleiben und sukzessive weitere Aufgaben im Kiez übernehmen.

Noch zu klären ist, ob das Bezirksamt oder der Verein oder eine Bürgergenossenschaft den Antrag bei der KfW stellt und – wie bisher der Verein – als Weiterleitungsempfänger fungiert.

Wir lassen uns derzeit von einer Fachfrau für Genossenschaftsgründungen beraten und sind dabei, verschiedene Geschäftsmodelle auszuarbeiten. Manche werden vielleicht fragen: Warum schließt ihr euch nicht Bürgerenergie Berlin an? Ist doch eine sympathische Genossenschaft mit ähnlichen Zielen, nämlich erneuerbaren Energien. Richtig. Aber im Unterschied zu „normalen“ Genossenschaften – von denen es eine Vielzahl von Modellen gibt – sind Bürgergenossenschaft nur an einem einzigen, lokal klar umrissenen Ort tätig und stärken auf diese Weise die Identifikation mit dem eigenen „Dorf“. Und das ist auch unser Ziel: Gemeinschaftsentwicklung im kliQ-Quartier.

Da wir noch mitten in der Recherche sind, können wir die Geschäftsmodelle für eine mögliche Bürgergenossenschaft hier nur andeuten. Denkbar wären unter anderem:

* Energieberatung

* Carsharing

* gemeinschaftliche Beschaffung von PV und Solarthermie für private und öffentliche Gebäude

* Errichtung von Nah- und Fernwärmenetzen in geeigneten Teilen des Quartiers (was dafür geeignet ist, sehen Sie auf deren Präsentation auf unserer Website unter „Klimapotenziale“)

* Kiezküche mit kulinarischen Angeboten für alle – incl. Senior:innen, Kindern und Jugendlichen

* Gemeinschaftshaus als Treffpunkt mit Veranstaltungen

* Beteiligung an einer Pyrolyse-Anlage zur Herstellung von Pflanzenkohle (= Kohlenstoffsenke)

* sowie in weiterer Ferne: Aufbau eines Kiez-Pflegedienstes

Wenn irgend möglich, wollen wir die Potenziale dafür im Herbst 2023 in einer weiteren nachbarschaftlichen „Zukunftswerkstatt“ erkunden. Zur Erkundung gehört auch, weitere Mitstreiter:innen für den Aufbau der Bürgergenossenschaft zu finden. Denn auf Dauer sind wir als kleines Team damit überfordert. Der Aufbau sollte von vielen gewollt, getragen und finanziert werden.

Gleichzeitig aber sind wir überzeugt, dass uns das als Gemeinschaft gelingen kann und dass gerade dieses Quartier ein außerordentlich hohes Potenzial dafür hat. Es gibt so viele Engagierte im Kiez, so viele, die ihr Geld sinnvoll ökosozial anlegen wollen, so viele, die klimafreundlich handeln wollen zugunsten der kommenden Generationen.

Soweit unser kleiner Überblick. Bei Fragen können Sie sich jederzeit an uns wenden.

Mit klimafreundlichen Grüßen: Ute Scheub