Im Eschershauser Weg haben Wohnungseigentümerinnen neue Pläne für Klimaschutz und Gestaltung ihrer Umgebung entwickelt.

Ruhig ist es hier. Das fällt sofort auf, wenn man das Gelände der insgesamt 24 Wohnblöcke im Eschershauser Weg in der Weserbergland-Siedlung betritt. Die fast 100 Jahre alten Wohngebäude stehen unter Kiefern und Birken, ein Quergebäude schützt sie vor der lauten Argentinischen Allee. Die Reihenhäuser wurden um 1930 von Architekt Hans Gerlach im Auftrag der damals erzkonservativen Wohnungsbaugesellschaft Gagfah gebaut. Politisch und farblich waren sie das Gegenstück zur Papageiensiedlung: Alle Gebäude in grau und weiß, schnurgerade aufgereiht, mit öde wirkenden Grünflächen. Doch nach dem Willen der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) in der Reihe 15-17 soll sich einiges ändern.

 

Brigitte Paul gehört dieser WEG mit insgesamt 94 Wohnungen an und lädt in ihre Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung ein. Der munteren Dame merkt man ihre 80 Jahre nicht an, sie wirkt neugierig und offen für das Neue, das da kommen mag, „auch wenn ich es vielleicht nicht mehr selbst erlebe.“ Ihr verstorbener Mann war hier geboren worden, sie selbst wohnt seit 1968 hier. 1989 gewann die Familie einen Prozess gegen die Gagfah, die sie zwingen wollte, eine Gastherme herauszureißen und sich an die Heizstation des Blockes anschließen zu lassen. Seit 2007 aber privatisierte die Gagfah die Wohnungen, auch die langjährige Mieterin Paul konnte nach der Umwandlung in Eigentumswohnungen ihre zu recht günstigen Preisen erwerben. In der WEG machen die sogenannten Selbstnutzer nur etwa ein Drittel aus; zwei Drittel der Eigentümer haben ihre Wohnungen vermietet oder an ihre Kinder vergeben. Lange Jahre war es ruhig in der WEG, ihre Versammlungen galten als langweilig. „Viele kümmerten sich nicht darum, was hier passiert“, erzählt Brigitte Paul.

Das scheint nun anders zu werden – auch dank Gabriele Schulze. Die Bauingenieurin in Rente hat im selben Block ebenfalls eine Wohnung erworben, ist im Vorstand des Vereins Papageiensiedlung, im Kernteam des kliQ-Projektes und im Verwaltungs-Beirat ihrer WEG aktiv. „Prozesse in WEGs sind zäh und träge, schon allein weil nur einmal pro Jahr ein Versammlung vorgeschrieben ist. Man braucht also Geduld, vieles dauert Jahre“, sagt sie. Ende 2022 schrieb sie alle Mitglieder ihrer WEG an und bat darum, sich gemeinsam für Veränderungen zu engagieren. „Die Resonanz war sehr positiv“, erzählt sie. „Die Versammlung war sehr gut besucht, von 94 Eigentümern waren 45 anwesend. Wir setzten eine neue Verwaltung ein und stellten die Weichen für Energie-Einsparung und Klimaschutz. Es herrschte Aufbruchstimmung.“

Und was soll nun geschehen? Brigitte Paul weist auf die Rohre, die durch ihre Wohnung laufen und Fernwärme liefern. „Die Heizung lässt sich nicht runterdrehen, die ist immer warm. Und das in heutigen Zeiten!“ Eine Heizungsüberprüfung sei das Mindeste, ergänzt Gabriele Schulze. Und: „Wir brauchen ein Gesamtkonzept. Der Fernwärme-Vertrag mit Vattenfall läuft 2028 ab. Vielleicht könnte Erdwärme eine Teillösung sein. Die Flächen für die dafür nötigen Bohrungen besitzen wir ja gemeinsam. Doch zuerst wollen wir eine Energieberatung machen lassen, basierend auf der Potenzialanalyse der Berliner Energieagentur für unseren Gebäudetypus: Welche Maßnahme würde wie viel kosten? Wofür bekämen wir Fördermittel?“

Die beiden Frauen zeigen draußen im Freien, was sich schon geändert hat. 2022 wurden einige Außenwände besser gedämmt. Der Anlass dazu war der Brandschutz, aber stolze 14 Zentimeter Dämmung sparen auch Energie ein. Im Gespräch ist zudem, ob die dreistöckigen Gebäude im Dachgeschoss ausgebaut werden sollen und/oder ob man das Dach für Solaranlagen nutzt. Gabriele Schulze schaut auf die Kiefern, die viele Dächer beschatten. „Hmm, das wird nicht so einfach.“ Die Gaslaternen möchte sie mit stromsparenden LED-Lampen ausrüsten, „das macht optisch keinen Unterschied.“ Zudem kann sie sich E-Ladestationen und Carsharing vorstellen. Die Straße ist keine Durchgangsstraße, sondern mit einer Schranke versehen, hinter der die Autos am Straßenrand parken. Deshalb ist es hier so ruhig.

Gabriele Schulze war jahrelang bei der Senatsumweltverwaltung beschäftigt, im Bereich Gewässerschutz, und schaut mit Kennerblick auf die Regenwasser-Ableitung. Wasser, das die Bäume in Dürrezeiten dringend benötigen, läuft auf Straßenasphalt und bleibt in Pfützen stehen. „Es wäre leicht, es in Mulden zu lenken. Hier könnten auch Grünstreifen mit Hecken und Blumen vor den Häusern stehen.“ Das würde Vögeln und Schmetterlingen gefallen und die Artenvielfalt fördern.

Und dann zeigt sie auf die schmucklosen Sandkisten an der Grenze zu benachbarten WEGs, die Kinder zum Spielen eher aus- als einladen: „Hier könnte man Hochbeete mit Kräutern anlegen. Damit würde man gleichzeitig nachbarschaftliche Treffpunkte schaffen.“ Auch Brigitte Paul fände das gut: „Hier gibt nur wenige Bänke, teilweise haben die Leute sie selbst bezahlt. Man kennt sich gar nicht mehr. Manchmal beneiden wir die Papageiensiedlung, da ist das anders.“

Gabriele Schulze nickt: „Es ist hier friedlich, aber zu anonym.“ Mit ihrer WEG ist sie auf gutem Weg, das zu ändern.